Hochstädten. Wanderer, Pilzsucher und Mountainbiker, die sich auf schmalen Pfaden im Wald bewegen, Paraglider, die die Baumwipfel unterschätzen, aber auch Waldarbeiter, die die Rutschgefahr falsch einschätzen, stellen nicht selten die Idylle in der freien Natur unter einen anderen Blickwinkel.
Revierförster Dirk Ruis-Eckhardt hatte vor knapp zwei Wochen mit einem verunglückten Waldarbeiter zu tun, der sich beim Fällen eines Baumes sein Bein eingeklemmt hatte. Die Rettungsaktion im dichten und unwegsamen Gelände erwies sich als abenteuerliches Unterfangen.
Thomas Strößinger, stellvertretender Stadtbrandinspektor, berichtete von weiten Fußwegen, die die Feuerwehrmänner beim Unfall eines Mountainbikers zurücklegen mussten, der bei der Abfahrt vom Melibokus gestürzt war.
Was lag näher, als den Wald zum Ziel einer Inspektionsübung auszuwählen. Um den Schwierigkeitsgrad auf dem unwegsamen Terrain auszutarieren, probten die Feuerwehren Hochstädten und Auerbach den Ernstfall. Der stille Tann zwischen Hochstädten und Balkhausen wurde am Samstag zu einem Ort ungewöhnlichen Treibens.
Gleich drei Baustellen eröffneten Hessen Forst und die Einsatzabteilungen der beiden Wehren. Zum einen stellte man den Fall nach, der sich zehn Tage zuvor tatsächlich zugetragen hatte, als sich bei Fällarbeiten ein Waldarbeiter verletzte. Am Samstag befreite das elfköpfige Team aus Hochstädten unter der Einsatzleitung von Alexander Fuchs den "Verletzten". Mit der Kettensäge war Gerätschaft im Einsatz, die entsprechendes Können erfordert. Jetzt musste man zusätzlich die eingeklemmte Person im Auge behalten und den Verletzungen entsprechen bergen. Während die einen den Stamm zersägten, schlugen andere einen Weg von Gestrüpp und Geäst frei. Schon nach kurzer Zeit konnte der "Patient" auf die Trage gehievt und zum Rettungsdienst befördert werden.
Die Aufgabe für die Auerbacher Wehr im unteren Abschnitt erwies sich als komplexer. Hier ging man davon aus, dass ein Schlepper vom matschigen Weg abgerutscht war, zwar am Baum Halt gefunden, dabei aber eine Person eingeklemmt hatte. Ein durchaus schwieriger Akt der technischen Hilfeleistung. Zum einen wiegt das Gerät gewaltige acht Tonnen. Zum anderen ist auf die Verletzung der Person zu achten, deren Bauchraum heftig in Mitleidenschaft gezogen ist. Die Wehr zog ein System aus Seilwinden, das das tonnenschwere Gerät soweit vorwärtsbewegte, dass die eingeklemmte Puppe befreit werden konnte. Selbst mit dem glitschigen Untergrund, der das Übel des rutschenden Schleppers verursacht hatte, sei die Mannschaft gut zurechtgekommen. Hochstädtens Wehrführer Frank Esinger resümierte: "Es hat wunderbar geklappt". Man habe stets gute Lösungen für die speziellen Situationen finden können. Revierförster Ruis-Eckhardt betonte, dass die Schnittstelle des Forstes zur Feuerwehr in der technischen Hilfeleitung immer enger werde.
Das dritte Szenario hingegen meisterte der Forst in Eigenregie und beeindruckte die zuschauenden Feuerwehrleute. Denn nun ging es hoch in die Baumwipfel. "Klar macht es Spaß, zu klettern", gab Forstamtsmeister Burkhard Pritsch unumwunden zu. Er ist einer der qualifizierten Mitarbeiter von Hessen Forst in Lampertheim, die mit solchen Spezialaufgaben betraut sind, die zum Teil in dreißig Meter Höhe führen. Zum Beispiel immer dann, wenn sich Zugseile nicht mit einer Zwille hochschießen lassen. Ein Kollaps bzw. Schock kann selbst einen erfahrenen Kletterer in der Baumpflege treffen.
Mit Steigeisen, Seilen und gut gesichert durch die entsprechende Ausrüstung stieg Burkhard Pritsch seinem Kollegen nach, der in zehn Meter Höhe "verunglückt" sei und nun in seinem Klettergeschirr reglos hing - so die Annahme. Er setzte fachmännisch die Seile und bewegte sich mit seinem Kollegen im Schlepptau galant abwärts. "So elegant sieht eine Rettung natürlich nicht immer aus", sagte er. Vor allem dann nicht, wenn der Verletzte in den Baumwipfeln von Panik getrieben werde. Im Regelfall falle es ungemein schwer, die Kontrolle über sein Schicksal abzugeben und in andere Hände zu legen.
© Bergsträßer Anzeiger 28.10.2015