Ein Wochenende voller Katastrophen
(Bild: Feuerwehr Auerbach)
AUERBACH. Grelle Flüssigkeiten, symbolische Totenköpfe. Weißer Qualm bei der Firma Sanner. Es riecht nach einem Gefahrgutunfall. Alarm am Sonntagmorgen. Um kurz nach 10 Uhr rollen vier Einsatzfahrzeuge über die Otto-Beck-Straße auf das Betriebsgelände am Bahnhof. Die Besatzung: zwölf Jugendliche zwischen zehn und 17 Jahren. Von Freitag bis Sonntag fand bei der Auerbacher Feuerwehr der sechste Berufsfeuerwehrtag statt. Die Jugendlichen hatten ein dicht getaktetes Wochenende. Sie mussten gemeinsam mit Mitgliedern der Einsatzabteilung vielseitige Feuerwehrübungen durchführen. Neben den realistisch gestalteten Einsätzen standen auch Dienstsport, Theorie und Gerätewartarbeiten auf dem Programm. Und ganz wie bei einer echten Berufsfeuerwehr haben die Jugendlichen im Gerätehaus übernachtet. Ziel der Maßnahme ist die Ausbildung von Teamfähigkeit, handwerklichem Können und Zuverlässigkeit. Gunter Schaab ist mehr als zufrieden. "Das funktioniert erstaunlich gut", so der stellvertretende Jugendwart über den "giftigen" Sondereinsatz der Nachwuchskräfte. Es war das erste Mal, dass die Auerbacher Jugend bei einem simulierten Gefahrgutnotfall ausgerückt war. Eine Premiere mit Bravour. Auch Jugendwart Andreas Fiehler findet lobende Worte.
Zumal sich ein Unterflurhydrant auf dem Werksgelände als defekt erwiesen hatte und die Jungen und Mädchen zum Sichern der Wasserversorgung vor Ort improvisieren mussten. Auch diese Herausforderung wurde flott und souverän gemeistert. Es waren katastrophale Tage für die Gruppe. Insgesamt 35 Stunden waren die Jugendlichen einsatzbereit. Was genau auf sie zukommen würde, wussten sie nicht. Am Freitag fand zunächst eine Begehung bei Sanner statt, wenig später brannte eine Werkstatt beim Technischen Hilfswerk an der Lahnstraße. In der THW-Unterkunft musste außerdem eine verletzte Person geborgen werden. In der Nacht loderten die Flammen im Wald nahe des Schlosses. Kaum ging die Sonne auf, krachte es bei einem Verkehrsunfall in der Ringgartenstraße. Die Jugendwehr musste das Fahrzeug zerlegen, um eingeklemmte Menschen zu retten. Und die Giftwolken am Sonntag sollten nicht der letzte Einsatz sein. "Einen haben wir noch", so Gunter Schaab über den Berufsfeuerwehrtag, der in Auerbach alle zwei Jahre durchgeführt wird. Die Dramaturgie wird von einem Betreuerteam vorbereitet. Den Ablauf der 24-Stunden-Schicht bestimmt ein Dienstplan, der am Anfang der Veranstaltung ausgeteilt wird. Darauf stehen die Ausbildungen und Dienste sowie die Essens- und Ruhezeiten. Die Wehr wollte dem Nachwuchs vor Augen führen, wie verantwortungsvoll, stressig, aber auch abwechslungsreich ein Tag - und eine Nacht - bei der Berufsfeuerwehr sein können. Unterstützt wurden die Jugendwarte von zahlreichen Mitgliedern der Einsatzabteilung, darunter auch der stellvertretende Wehrführer Tobias Jöckel. Bei Sanner sorgen Wasserwände dafür, dass sich die giftigen Dämpfe nicht zu stark über das Gelände ausbreiten. Höchste Gefahrenstufe. Die Einsatzkräfte steigen in gelbe Overalls und ziehen die Atemschutzmasken über. Die Erkundung erfolgt nach der GAMS-Regel für Gefahrguteinsätze: Gefahr erkennen, Absichern der Einsatzstelle, Menschenrettung unter Eigenschutz, Spezialkräfte nachfordern. Der Nachwuchs hat die Regel einwandfrei umgesetzt. Während die einen das Gefahrgut in einen Sammelbehälter saugen, platzieren die anderen die Dekontaminationsstation. Rot, gelb und grün. Die Ampelfarben markieren die unterschiedlichen Stufen der "Entgiftung". Es war ein anstrengendes Wochenende. "Umso toller, dass die Jugendlichen noch immer so motiviert sind", sagt Gunter Schaab, während die letzten Tropfen grellgelber Flüssigkeit sicher verpackt abtransportiert werden. Später bei der Einsatznachbesprechung wird analysiert, was gut und etwas weniger gut gelaufen ist. Letzteres war ganz flott abgehakt. tr
© Bergsträßer Anzeiger, Dienstag, 20.09.2016